
Katalog Bd. III/3, Ziegler, Hauses, Schulze, Althoff
"Griechische Münzen und ihr Umfeld. Die Prägungen der kilikischen
Stadt Anemurion." Duisburg 2008. ISBN: 978-3-89279-644-2

Plakat zur Ausstellung mit Abbildung eines Triassarion des
Maximinus Thrax (235-238 n.Chr.) aus dem Jahr 235 n.Chr. mit Darstellung des
Perseus, Harpe (Sichelschwert) und Gorgonenhaupt haltend.

Bild Kat.-Nr. 2: Antiochos IV. von Kommagene
(38-72 n.Chr.), Vorderseite mit Kopf der Iotape, der Frau des
Antiochos IV., auf der Rückseite Apollon mit Zepter (od. Pfeil) und Zweig,
Tetrachalkon (Assarion), 5.92 g, 21,6 mm

Bild: Kat.-Nr. 12: Antiochos IV. von Kommagene (38-72
n.Chr.), Vorderseite mit Kopf des Antiochos IV. n.r., auf der
Rückseite Artemis mit Pfeil und Bogen, begleitet von einem Tier, Obolos
(Diassarion), 11.13 g, Dm 24,8 mm

Bild: Kat.-Nr. 16: Antiochos IV. von Kommagene
(38-72 n.Chr.), Vorderseite mit Brustbild der Athena, auf der
Rückseite Poseidon mit Dreizack und Delphin, Dichalkon (Hemiassarion),
5.57 g, Dm 21,3 mm

Bild: Kat.-Nr. 18: Titus (79-81 n.Chr.), Vorderseite
mit Kopf des Titus n.r., auf der Rückseite Apollon mit Bogen und Zweig vor
Dreifuß stehend, Hemiassarion (Dichalkon), 5.26 g, 20,0
mm 

Bild: Kat.-Nr. 70: Maximinus Thrax (235-238 n.Chr.),
Vorderseite mit Brustbild des Maximinus Thrax n.r., auf der Rückseite
Darstellung des Apollon, Schale und Bogen haltend, zu den Füßen ein
Schiff, Diassarion (Obolos) aus dem Jahr 235 n.Chr., 12.97 g, Dm 29
mm


Bild: Kat.-Nr. 72: Maximinus Thrax (235-238 n.Chr.),
Vorderseite mit Brustbild des Maximinus Thrax n.r., auf der Rückseite
Darstellung des Perseus mit Flügelschuhen, Harpe und Gorgonenhaupt
haltend, Triassarion aus dem Jahr 235 n.Chr., 12.32 g, Dm 31,2 mm


Bild: Kat.-Nr. 73: Maximinus Thrax (235-238 n.Chr.),
Vorderseite mit Brustbild des Maximinus Thrax n.r., auf der Rückseite
Löwe mit erhobenem Schweif n.r., darüber ein Stern in Mondsichel,
Triassarion aus dem Jahr 235 n.Chr., 12.67 g, Dm 32,5 mm |
Spezialbestand: Antike Münzen aus
Anemurion" Mit 115 Münzen aus der Prägestätte Anemurion,
einer antiken Stadt in Kilikien, befindet sich, nach derzeitigem Wissensstand,
der weltweit größte Bestand zu dieser Prägestätte in der
Sammlung Köhler-Osbahr in Duisburg. Die baulichen Überreste des
antiken Anemurion liegen heute in der Nähe der modernen Stadt Anamur, am
Kap Anamur, der südlichsten Spitze der Türkei. Im 2. und 3.
Jahrhundert n.Chr. erlebte Anemurion aufgrund der Lage an römischen
Handels- und Heerstraßen als Hafenstadt eine späte Blütephase.
Die wissenschaftliche Bearbeitung und Auswertung dieses Spezialbestands ist ein
Ergebnis der langjährigen Zusammenarbeit zwischen der Sammlung
Köhler-Osbahr und dem Historischen Institut, Abteilung Alte Geschichte,
der Universität Duisburg Essen. Seit dem Jahr 2000 konnten wir nun schon,
unter Federführung von Prof. Dr. Ruprecht Ziegler, die sechste gemeinsame
Lehrveranstaltung durchführen sowie 2007/2008 einen wissenschaftlich
bedeutenden Katalog zu den Münzen aus Anemurion publizieren. Aufbauend auf
den Katalog ist im Rahmen einer Übung im Wintersemester 2008/2009 eine
Ausstellung von den teilnehmenden Studierenden erarbeitet worden.
Die von den Studierenden miterarbeitete Ausstellung "Griechen,
Geld und Götterwelt. Antike Münzen aus Anemurion" ist von der
Köhler-Osbahr-Stiftung mit über 120 multikulturellen Gästen am
01.02.2009 eröffnet worden, worunter auch Delegationen der Bonner-, der
Krefelder- und der Moerser Münzfreunde vertreten
waren.
Nachfolgend finden Sie den einführenden Vortrag von
Prof. Dr. Ruprecht Ziegler, Universität Duisburg-Essen, der in einer
knappen Zusammenfassung die Forschungsergebnisse wiedergibt und die
aussagekräftigsten Münzen zeigt.
Zur Münzprägung von Anemurion in Kilikien in der
römischen Kaiserzeit Die historische Aussagekraft
städtischer Münzen der römischen Kaiserzeit wurde von der
altertumswissenschaftlichen Forschung erst verhältnismäßig
spät zur Kenntnis genommen. Das liegt unter anderem daran, dass die oft
genug dürftig erhaltenen, ästhetisch zumeist wenig ansprechenden
Geldstücke mit vielfach rätselhaften Bildern und schlecht lesbaren
Aufschriften von Museen und Sammlern lange Zeit eher gemieden wurden. Die
Materialerfassung und -publikation hinkte demzufolge weit hinter der von
griechischen Münzen und der von römischen Reichsprägungen her.
Bis zu einem gewissen Grad trifft das auch heute noch zu. In den letzten
Jahrzehnten haben jedoch immer mehr Altertumswissenschaftler den hohen
Quellenwert städtischer Münzen erkannt, was zu einem
Paradigmenwechsel in der Forschung führte. Die Bearbeitung von süd-
und südostkleinasiatischen Münzen ist mittlerweile so weit gediehen,
dass die Prägetätigkeit dieses Großraums als vergleichsweise
gut erforscht gelten darf. Ausnahmen, zu denen bis dato die Münzen von
Anemurion zählten, gibt es aber immer noch in großer Zahl.
Auf der Basis des vorliegenden Materials in der Sammlung
Köhler-Osbahr, angereichert durch das anderweitig publizierte und
über die Sichtung ausgewählter großer öffentlicher und
privater Sammlungen, ließen sich Fragen entwickeln und hoffentlich auch
beantworten, die nicht nur die Stadt- und Regionalgeschichte, sondern teilweise
auch die Reichsgeschichte betreffen.
Anemurion prägte - sieht man
von einer kurzen Phase in vorhellenistischer Zeit ab - nur während der
römischen Kaiserzeit eigenes Geld. Die ersten Bronzemünzen wurden
unter dem römischen Klientelkönig Antiochos IV. von Kommagene
ausgebracht (38-72 n. Chr.), zu dessen Herrschaftsgebiet weite Teile des
westlichen (Rauhen) Kilikien gehörten. Nach der Absetzung des Antiochos
wegen angeblicher Kollaboration mit den Parthern im Jahre 72 n. Chr. schuf
Kaiser Vespasian eine große Provinz Cilicia, die einen "rauen" westlichen
und einen "ebenen" östlichen Teil umfasste. Statthaltersitz wurde Tarsos.
Die Prägung von Bronzemünzen wurde unter den Flaviern, der unter
Antiochos begründeten Bildtradition verpflichtet, fortgesetzt und endete
unter den Kaisern Valerian und Gallienus wohl 255 n. Chr.
Die folgenden
Ausführungen geben die wichtigsten Ergebnisse der im Katalog publizierten
Untersuchungen wieder.
Die von den lokalen Eliten vorgenommene relativ
stereotype Auswahl der Münzbilder zeigt insbesondere Gottheiten, die einer
an der klassischen Kunst orientierten Bildersprache folgen. Abhängig von
dem jeweiligen Nominal wird auf den Rückseiten der Athenakopf, die
"Stadtgöttin", das Ethnikon in einem Lorbeerkranz, Apollon, Artemis als
Jägerin, Dionysos und Poseidon dargestellt. Eine Besonderheit bildet der
Rückgriff auf ein altes, autochthones Kultbild der Artemis, das seit
Severus Alexander als "Leitbild" für ein neues und größtes
Nominal geprägt worden ist. Es zeugt von der Emanzipation der Städte
und von der Rückbesinnung auf die eigenen, allerdings griechisch
interpretierten Traditionen.

Bild: Kat.-Nr. 99: Valerian und Gallienus (253-260
n.Chr.), Vorderseite mit Brustbild des Valerian n.r., auf der
Rückseite eine autochthone Kultstatue der Artemis mit zwei Zweigen und
Hirschkuh, Triassarion aus dem Jahr 254/5 n.Chr., 11.53 g, Dm 28,0 mm
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Bild: Kat.-Nr. 40: Hadrian (117-138 n.Chr.),
Vorderseite mit Kopf des Hadrian n.r., auf der Rückseite Brustbild der
Stadtgöttin mit Mauerkrone und Schleier, Assarion (Tetrachalkon) aus dem
Jahr 132/3 n.Chr., 6.87 g, Dm 25,0 mm |

Bild: Kat.-Nr. 48: Diva Faustina (jun.), gest. 176
n.Chr., unter Commodus (?) geprägt, Vorderseite mit Kopf der Diva
Faustina n.r., auf der Rückseite Apollon-Darstellung, Assarion
(Tetrachalkon), 11.51 g, Dm 25,0 mm |
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Bild: Kat.-Nr. 52: Septimius Severus und Caracalla
(193-211 bzw. 197-211 n.Chr.), Vorderseite mit Brustbild des Caracalla, auf
der Rückseite Dionysos mit Thyrsosstab und Kantharos, zu den
Füßen ein Panther, im Feld l. ein Stern, Diassarion (Obolos) aus dem
Jahr 197/8 n.Chr., 10.27 g, Dm 26,9 mm |
Im Gegensatz zu der sonst so stereotypen
Bildauswahl fällt die Münzemission unter Maximinus Thrax im Jahre 235
n. Chr. durch drei ungewöhnliche Bildtypen auf. Sie gehören zur
selben Emission. Auf der ersten (etwas rätselhaften) ist eine nackte
männliche Figur auszumachen, die in der einen Hand eine Schale, mit der
anderen Pfeil und Bogen hält. Ein Gegenstand links zu Füßen der
Figur, der bisher nicht beachtet wurde, symbolisiert ein Ruderschiff. Direkt
vergleichbare Münzbilder kennen wir nicht. Entweder ist mit der Figur
Apollon gemeint in seiner Funktion als Gott, der ausgesandte Kolonisten
beschützt, oder ein uns unbekannter Gründerheros. Mit sehr hoher
Wahrscheinlichkeit ist diesem Münzbild vor dem Hintergrund einer angeblich
frühen Besiedlung der Stadt durch Griechen Verständnis abzugewinnen,
die üblicherweise über See erfolgte.
Dieser Kontext wird
erhärtet durch das zweite Münzbild dieses Jahres. Es zeigt den Heros
Perseus, Sohn der argivischen Königstochter Danae und des Zeus, mit einem
Sichelschwert und einem Gorgonenhaupt, dem abgeschlagenen Kopf der Gorgo
Medusa. Perseus wurde außerhalb Kilikiens auf städtischen
Münzen selten dargestellt. Es stellt sich somit die Frage nach den
Gründen für die Wahl gerade dieses Motivs.
Gemäß
antiker Überlieferung wurde die Heimat der Gorgonen in dem teilweise sehr
unwegsamen Großraum Kilikien vermutet. Perseus sei dort gewesen und habe
in dieser Zeit - so wollte man das in Kilikien sehen - Städte
gegründet. Die Vorstellung, dass griechische Heroen in Begleitung von
Siedlern Städte angelegt hätten, war verbreitet. Auf ein hohes Alter
verweisen zu können und einen oder mehrere griechische Gründer zu
haben, brachte einer Stadt nicht nur Prestige. Man konnte insbesondere in der
römischen Kaiserzeit damit auch politisch punkten. Dadurch setzte ein
Wettlauf von "Sophisten" aus kleinasiatischen Städten nach Griechenland
ein. Sie sollten für ihre Heimatstädte Belege für eine
frühe und edle griechische Abstammung ausfindig machen. Die ohnehin schon
vorhandenen städtischen Eifersüchteleien und Rangstreitigkeiten
innerhalb einer Provinz nahmen dadurch zu. Führend bei diesen
Streitigkeiten waren in Kilikien die wichtigsten und größten
Städte der Region: Tarsos und die Hafenstadt Aigeai, beide östlich
von Anemurion gelegen. Neben einer Inschrift aus Argos, in der vom Besuch eines
"Sophisten" aus dem kilikischen Aigeai die Rede ist, der eigens zwecks
Nachweises der argivischen Abkunft und Gründung durch Perseus nach
Griechenland gereist sei, geben auch Münzbilder aus Aigeai Perseus wieder.
Häufiger noch als in Aigeai wird Perseus aber auf tarsischen Münzen
thematisiert. Von besonderem Interesse ist eine Münze aus der Zeit
Hadrians, die den Orakelgott Apollon (mit Dreifuß) zeigt, wie er dem auch
literarisch gut bezeugten Stadtgründer von Tarsos, Perseus, die Hand
reicht, also Eintracht zum Ausdruck bringt. Die Perseus-Darstellung auf
Münzen aus Anemurion gibt in Verbindung mit der Darstellung des Apollon
mit Dreifuß, geprägt ebenfalls in Anemurion in flavischer Zeit,
offenbar denselben Kontext wieder. Das wirtschaftlich und politisch
aufblühende Anemurion versuchte also mit den großen der Provinz
mitzumischen. Anemurion wollte zeigen, dass es auf eine genauso alte und edle
griechische Abstammung zurückblicken konnte, wie vor allem Tarsos und
Aigeai.
Die dritte Münze der Emission unter Maximinus Thrax muss
als Sternbild des Löwen aus dem Zodiakos interpretiert werden. Ausgehend
von der begründeten Vermutung, dass es einen inhaltlichen Zusammenhang
zwischen den drei Münzbildern gibt und diese auf hohes Alter und edle
griechische Abkunft verweisen, dürfte es sich bei dem dritten
Münzbild um das Gründungshoroskop von Anemurion handeln.
Ein
großes Defizit bestand im Hinblick auf eine geld- und
wirtschaftsgeschichtliche Auswertung des Münzmaterials von Anemurion. Die
Münztypen sowie die Durchmesser und Gewichte der Geldstücke erlauben
einen Rekonstruktionsversuch des städtischen Nominalsystems. Es kann
aufgezeigt werden, dass die lokalen Bronze-Münzen mit dem Reichsgeld
kompatibel waren und somit genauso wie die überwiegend im Westen des
Imperium Romanum zirkulierenden Reichsmünzen aus unedlem Metall das
Kleingeld zum Edelmetallgeld darstellten. Da es sich jedoch um eine
"gebrochene" Währung handelte, mussten bei Bedarf die städtischen
Bronzemünzen gegen Gold- oder Silbermünzen bzw. Edelmetallmünzen
gegen lokales Kleingeld unter Abführung eines agio beim offiziellen
Geldwechsler umgetauscht werden. Die Ausprägung eigenen Geldes war
für die Städte deshalb nicht nur eine Prestigeangelegenheit, sondern
auch ein lukratives Geschäft.
Mittels der vielen fest datierten
Gepräge kann nachgewiesen werden, dass die Münzen aus Anemurion
keineswegs in auch nur einigermaßen regelmäßigen
Abständen geschlagen wurden. Die Beschlüsse der lokalen Eliten, neues
Geld auszubringen, war vielmehr von Ereignissen überregionalen
Ausmaßes abhängig. Durch Südkleinasien und quer durch Anatolien
führten gut ausgebaute Heeres- und Handelsstrassen, die die Hafenstadt
Anemurion mit wichtigen Etappenstationen wie Perge und Siede in Pamphylien
sowie den zahlreichen Zentren Ostkilikiens und Syriens verband. Anlässlich
von Kriegen, aber auch von Spannungen an den Reichsgrenzen mussten über
diese Straßen Truppenverschiebungen erheblichen Ausmaßes erfolgen.
Die konsumfreudigen Soldaten benötigten in den Städten, in denen sie
Quartier bezogen, lokales Kleingeld. Da in Zeiten größerer
Truppenbewegungen die Einwohnerzahl der betroffenen Poleis schon aufgrund der
Anziehungskraft, welches das Heer auf die lokale Wirtschaft ausübte,
erheblich zunahm, konzentrierte sich dort vorübergehend Kapital vor allem
in Form von mitgeführtem Edelmetallgeld, in beträchtlichem
Ausmaß. Die Anwesenheit der vielen - aufgrund der immer wieder erfolgten
Übergriffe wenig geliebten - Militärangehörigen belastete die
Städte gewiß. Die auf Umsatz basierenden Gewinne, die in der Stadt
blieben, dürften letztlich aber dazu geführt haben, dass Anemurion in
den kriegerischen Zeiten des späten 2. Jh. und in der ersten Hälfte
des 3. Jh. eine Blüteperiode erlebte, die dazu führte, dass
kostspielige und prestigeträchtige Repräsentationsbauten in Auftrag
gegeben werden konnten. Die an den kanadischen Grabungen der University of
British Columbia (Vancouver) in Anemurion beteiligten Archäologen hatten
für die angesprochenen Jahrzehnte einen Bauboom nachgewiesen. Sie konnten
jedoch keine Begründung für den wirtschaftlichen Aufschwung gerade in
der Zeit geben, für die in anderen Teilen des Imperiums ein
wirtschaftlicher Niedergang festzustellen ist. Ein Ende fand die
Blüteperiode vor allem aufgrund des Einfalls der Sasaniden im Jahre 260 n.
Chr., durch den auch Anemurion schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, und
aufgrund des zumindest vorübergehenden Niedergangs der Wirtschaft auch in
diesem Teil des Reiches im späten 3. Jh. n. Chr. Das Ende der lokalen
Münzprägung im Jahre 255 n. Chr. erklärt sich aus der
Beobachtung, dass die Ausprägung eigenen Geldes für die Städte
wegen des Verfalls der Reichswährung unrentabel. |